Wenn man einen Steuerbescheid bekommt, kann das Finanzamt diesen vorläufig ergehen lassen. Das bedeutet, dass der Bescheid noch nicht endgültig ist und später noch geändert werden kann. Allerdings ist diese Vorläufigkeit auf bestimmte Punkte beschränkt, die das Finanzamt im Bescheid aufführt. Zu einem späteren Zeitpunkt kann das Finanzamt die Vorläufigkeit aufheben und der Bescheid kann dann nicht mehr geändert werden. Oder etwa doch? Das Finanzgericht Münster (FG) musste hierüber entscheiden.
Die Klägerin war Alleinerbin des Vermögens ihres Großvaters. Das Erbe bestand im Wesentlichen aus einer im Inland belegenen Immobilie und dem Vermögen einer Stiftung. Der Vater der Klägerin hatte das Erbe ausgeschlagen und klagte gegenüber der Stiftung auf seinen Pflichtteil. Nach einem mehrjährigen Rechtsstreit wurde ihm dieser neben Prozesszinsen und Gerichtskosten zugesprochen. Da die Stiftung aber nicht über genügend Vermögen verfügte, konnte der Betrag nicht komplett gezahlt werden. Das Finanzamt setzte die Erbschaftsteuer fest und berücksichtigte dabei die Ansprüche des Vaters steuermindernd. Der Bescheid erging vorläufig. Von der Entscheidung des Gerichts, dass die Ansprüche des Vaters zu zahlen sind, erfuhr das Finanzamt nichts. Monate später fragte das Finanzamt nach, ob der Vorläufigkeitsvermerk aufgehoben werden könne. Dies blieb jedoch unbeantwortet. Daraufhin wurde der Bescheid für endgültig erklärt und konnte nach Ansicht des Finanzamts aufgrund der eingetretenen Bestandskraft nun nicht mehr geändert werden.
Die Klage hiergegen vor dem FG war erfolgreich. Demnach wurde das Finanzamt verpflichtet, die Erbschaftsteuerfestsetzung aufgrund neuer Tatsachen zu ändern und Prozesszinsen und Gerichtskosten aufgrund des vom Vater der Klägerin gegen die Stiftung geführten Verfahrens als Nachlassregelungskosten steuermindernd zu berücksichtigen. Eine Berücksichtigung des Pflichtteilergänzungsanspruchs kommt nicht in Betracht, da die Festsetzungsfrist insoweit abgelaufen ist. Es greift hier auch keine Anlaufhemmung für die Festsetzungsfrist, da es sich nicht um ein rückwirkendes Ereignis handelte. Die Ansprüche des Vaters der Klägerin wurden bereits während des Besteuerungsverfahrens geltend gemacht.
Hinsichtlich der Prozesszinsen und Gerichtskosten ist eine Änderung der Steuerfestsetzung zur Berücksichtigung eines rückwirkenden Ereignisses hingegen möglich, wenn dieses Ereignis erst nach Entstehung der Steuerpflicht und nach Erlass des zu korrigierenden Bescheids eingetreten ist. Die Kosten sind noch als Kosten des Nachlasses zu berücksichtigen. Auf eine tatsächliche Zahlung kommt es hingegen nicht an.
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(aus: Ausgabe 08/2021)